Wege gegen das Vergessen
Eine alternative Stadtführung für die Pfadfinderstufe durch Aachen am 9.November zum Gedenken an die Opfer des Nationalsozialismus aus Anlass der Reichspogromnacht.
Am Samstag den 9. November trafen sich am Rheydter Hauptbahnhof um 8:10 Uhr früh, einer Zeit zu der am Wochenende normalerweise noch alle Pfadis schlafen, 15 Pfadis inklusive Leiter und Julia um nach Aachen zu fahren. In Aachen West hieß es dann aussteigen, und zu Fuß weiter durch die Stadt zum Aachener Bushof, wo sich auch das Gebäude der Volkshochschule befindet. Dort trafen wir zwei weitere Pfaditrupps und warteten auf unsere Führung. Die Führung war organisiert vom Arbeitskreis „Interkulturelles Lernen†des Diözesanverbandes Aachen der DPSG und wurde geleitet von einer Stadtführerin der VHS. Nun ging es durch die Stadt, hin zu den verschiedensten Orten, die im 3.Reich eine Rolle gespielt haben. So entdeckten wir an einer Kneipe unter der modernen Brauereileuchtreklame den in den Stein gemeißelten alten Namen dieser Gaststätte: „Zur neuen Weltâ€. Diese Kneipe war ehemals ein Treffpunkt der Kommunisten in Aachen, bevor diese verfolgt wurden. Im Gebäude eines heutigen Möbelhaus waren früher die Gewerkschaften untergebracht, bis das Haus besetzt wurde. Natürlich wurde dann auch die Kartei beschlagnahmt in der alle Adressen der Leute drin standen, die sich in den Gewerkschaften engagiert hatten, und den Nazis ein Dorn im Auge waren.
Wir erfuhren auch das der Krieg in Aachen nur bis 1944 dauerte, da es mit die erste Stadt war, die sie Alliierten erreichten. In der Großkölnstraße, heute noch die Haupteinkaufstraße in Aachen hatten früher fast alle Geschäfte einen jüdischen Besitzer. Am Ende der Straße, also dort wo schon der Markt beginnt, gegenüber dem Rathaus, gab es ein Großes Kauhaus, dass der jüdischen Kaufmannsfamilie Tietz gehörte. Die Familie besaß Kaufhäuser in vielen großen Städten. Während der Naziherrschaft wurden diese enteignet, und die Familie musste fliehen, um den sicheren Tod im KZ zu entgehen. Die Kaufhäuser bekamen nun ein „arisches†Management und wurden in Kaufhof umbenannt. Diesen Namen trägt die Kette noch heute. Auf dem Marktplatz erhielten wir noch einige Infos zum Nationalsozialismus in Aachen im allgemeinen. Die nächste Station war der Katschhof, der Platz zwischen Rathaus und Kirche. Hier erfuhren wir dass es in der Katholischen Kirsche zur Nazizeit keine einheitliche Linie gab. Einige Priester leisteten Widerstand und kamen dafür ins KZ, andere wiederum unterstützten die Nazis mit allen Mitteln. Besonders Interessant war es für uns zu erfahren, dass die Pfadfinder zu den letzten Jugendgruppen gehörten, die verboten oder durch Zwang in die Hitlerjugend überführt wurden. Man fürchtete Nachteile aufgrund der vielen internationalen Kontakte der Pfadfinder. In der Zeit der Naziherrschaft gab es auch einen Heiligtumsfahrt in Aachen. Diese findet alle 7 Jahre Stadt und dabei werden die Reliquien z.B. die Windeln Jesu dem Volk gezeigt. Hierher pilgern traditionell immer eine Menge Katholiken. Die Heiligtumsfahrt damals war die Größte überhaupt, denn nicht nur Gläubige kamen, sondern auch viele andere Verfolgte des Naziregimes, denn im Schutze der unkontrollierbaren Massen konnte man sich gut treffen ohne dass es auffiel. Weiter ging es zur Synagoge. Hier stand auch schon früher die alte Synagoge. Diese wurde in der Pogromnacht in einer Gemeinschaftstat von Feuerwehr, Polizei und SS in Brand gesteckt. Von Anwohnern wurde zwar die Feuerwehr gerufen, diese schützte aber nur angrenzende Gebäude oder tat so, als ob sie Löschte, sprühte aber in Wirklichkeit Chemikalien ins Feuer, die dies erstrecht anheizten. Zur „Strafe“ für den Brand musste die jüdische Gemeinde für die Beseitigung Schäden und Trümmer aufkommen. Außerdem wurde die komplette Versicherungsprämie eingezogen. Die ersten Juden kamen übrigens schon mit den Römern nach Aachen. Erst jedoch als durch die Aussiedler aus dem Osten die Gemeinde wieder wuchs wurde das Grundstück auf dem ehemals die Synagoge stand zurückgegeben, und eine neue Synagoge gebaut. Leider war diese an diesem Tag nicht zu besichtigen. Auf dem Platz davor befindet sich ein Denkmal zur Erinnerung an den Holocaust. Hier endete auch unser Rundgang. Da das Wetter zwar schön, aber eiskalt war, wurden wir, nachdem wir uns von unserer Stadtführerin verabschiedet hatten, noch vom Arbeitskreis auf einen heißen Kakao in ein Kaffee eingeladen. Dort trennten wir uns dann auch von den anderen Trupps und wanderten Richtung Dom, um diesen zu besichtigen. Danach gab es dann noch genug Zeit um in Kleingruppen Aachen unsicher zu machen, zu shoppen, und auch etwas zu essen. Nachdem wir uns am Elisenbrunnen wiedergetroffen hatten, machten wir uns auf den Heimweg. Erst wieder zu fuß, diesmal bis zum Hauptbahnhof, dann mit der Bahn nach Rheydt.
Sicher wäre eine ähnliche Stadtführung in Rheydt oder Mönchengladbach noch viel interessanter, da es sich dann nicht um eine fremde Stadt handelt, sondern um Orte handelt, die wir täglich sehen…